Neues Deutschland S.1 Sonnabend/Sonntag, 23./24. September 2000 

 Justiz  Punktsieg für Diestel im Streit mit Gauck 

Rostocker Gericht lehnte Unterlassungsklage ab

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen. Mit diesem Spruch endete am Freitag Nachmittag ein Verfahren zwischen Peter-Michael Diestel und Joachim Gauck.

Rostock (ND-Heilig ). Gegenstand der Verhandlung waren Interviews mit Diestel im >>Neuen Deutschland<< und in der >>Berliner Morgenpost<<. Darin hat der letzte DDR-Innenminister den Beauftragten für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit als einen >>in klassischer Weise Begünstigten im Sinne des Stasi-Unterlagengesetzes bezeichnet. Diese Äußerung wollte Gauck verbieten lassen. Als ein Beispiel der Begünstigung nannte Diestel die Aus- und Wiedereinreise der Gauck-Söhne in die bzw. aus der BRD. Dafür, dass dies nur mit Hilfe des MfS möglich war, lieferte er vor dem Rostocker Landgericht eine Fülle eidesstattlicher Erklärungen.

Das Gericht, das zu Beginn eher der Partei Gaucks gewogen war, mochte nicht über den Wahrheitsgehalt dieser Erklärungen entscheiden. Das betrifft ebenso die eidesstattliche Erklärung, mit der Joachim Gauck, der sich durch einen seiner Söhne vertreten ließ, seine Position als Opfer des MfS zu bekräftigen versuchte.

Richterin Anke Mahmens schätzte Diestels Recht auf freie Meinungsäußerung im allgemein öffentlichen Interesse höher ein als Gaucks Recht des Persönlichkeitsschutzes. Diestel erklärte gegenüber ND, er halte das Urteil für korrekt. Dennoch seien Gerichte nicht der Ort, um solche zugespitzten Konflikte über gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu klären. Er hoffe, so Diestel, dass Gauck sein Angebot zu Gesprächen annehme. Gaucks Anwalt Johannes Weberling informierte ND, sein Mandant habe ihn telefonisch beauftragt, in Berufung zu gehen: >>Notfalls treffen wir uns beim Bundesgerichtshof<<. Kommentar Seite 8

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